Niederschlagswahrscheinlichkeit

Sabine M. Paul // Juni 28 // 0 Comments

Gestern hatten wir es vom Wetter.

Wie so oft ist es der Einstieg in den Smalltalk. Die Menschen reden gern über das Wetter – ein dankbares Thema, denn es ist immer da. Und wir können es nicht ändern.

Es war noch nicht so brütend heiß wie an den letzten Tagen. Aber du konntest die Feuchtigkeit in der Luft spüren. Ich war gerade bei meiner Freundin zum Arbeitsfrühstück eingetroffen und musste erst einmal kurz innehalten. Warten, bis das Schwitzen nachließ.
Für heute waren Gewitter angesagt – auch wenn sich die morgendlichen Wolken inzwischen verzogen hatten und die Sonne begann, die Luft aufzuheizen. Wir blickten in den Himmel und fragten uns, wann – und ob – das Gewitter tatsächlich kommt.

Währenddessen hatten wir den Tisch gedeckt und ließen uns nieder, um genüsslich zu frühstücken.
Birgits Mann hatte sich dazu gesellt und erkundigte sich, wie warm es draußen sei.
„Wird schon“, meinte ich. „Hoffentlich bleibt es bis 17 Uhr trocken.“
Laut seiner Wetter-App würde es erst um 18 Uhr regnen.
Ich lachte: „Aber woher weiß das Wetter, was deine App prognostiziert?“

Er legte seine Honigsemmel beiseite und zückte sein Handy. „Hier: 18:00 Uhr Regen.“

Jetzt wollten wir es genauer wissen und verglichen unsere App-Daten. Die eine behauptete 18:00 Uhr, die andere bestand auf 15:00 Uhr. Schon war die Diskussion eröffnet: Welche App sagt nun realistischer voraus?

Ist diese Diskussion nicht zutiefst menschlich?
Schließlich suchen wir Sicherheit – und eine planbare Perspektive. Besonders, wenn wir – so wie es bei mir der Fall war – eine Veranstaltung im Freien planen.
„Märchen trifft NeuroGraphik“ stand nachmittags auf dem Plan – und bisher hatten wir kein Glück mit dem Wetter. Egal, welche Voraussage nun stimmte – wir konnten das Wetter sowieso nur nehmen, wie es kommt.

Unser Smalltalk nahm eine neue Wendung.

Angestachelt von Neugier und einem klitzekleinen Anflug von Ehrgeiz öffnete ich die Agrarwetter-Webseite, um ein möglichst genaues Bild zu bekommen:
15 Uhr – Niederschlagswahrscheinlichkeit 50 %, Regenwarnung, Gewitterwarnung! Verdunstung mäßig. Dämmerungsanfang 04:34 Uhr …

Wir schauten uns an – und mussten schallend lachen.
Unser Gespräch drehte sich in eine völlig neue Richtung. Wir blödelten mit den Begriffen herum:

„Wie ist wohl die Niederschlagswahrscheinlichkeit in Städten im Vergleich zum Landleben? Und welche Warnung sollte ausgesprochen werden, wenn es den Menschen dämmert?“

Worte wirken

Die Wettervorhersage bedient sich oft einer brutalen Sprache.
Aber nicht nur sie – auch wir, in so vielen Bereichen unseres Lebens.
Mit alltäglichen Redewendungen, mit denen wir uns selbst (sprachlich) verkloppen, ohne es überhaupt zu merken:
„Ich hau mich aufs Ohr“, „Ich schmeiß mich aufs Sofa“ …
Oder bevor wir das Haus verlassen, sagen wir oft:
„Ich mach mich noch schnell fertig, dann können wir abhauen.“

Wie oft sagst du:
„Ich muss nur noch schnell xy erledigen, dann können wir …“
Ich nehme mich selbst da nicht aus. Wir haben es so übernommen – ohne darüber nachzudenken.
Aber wäre es nicht Zeit, umzudenken?

Meine Philosophie dahinter: Diese Art der Kommunikation macht etwas mit uns.
Je öfter wir bestimmte Worte wiederholen, desto tiefer graben sie sich als neuronale Autobahnen in unser Gehirn – und prägen uns.
Wir machen uns durch diese Sprache klein, funktional und kommunizieren wenig wertschätzend – mit uns selbst. Ohne es zu merken.

Wir setzen uns mit unseren Aussagen unter Druck – oft unbewusst.
Wenn ich eine Freundin abhole, um mit ihr eine gute Zeit zu verbringen, dann darf diese Zeit bereits mit dem Abholen gut starten.
Ich warte nicht ungeduldig, dass sie sich in Hektik fertig macht, damit wir „abhauen“ können.
Die gemeinsame Zeit beginnt, sobald sie mir die Tür öffnet – also darf es ab diesem Moment schön sein.
Sie bekommt den Raum, ihr Outfit zu checken und die nötigen Dinge einzupacken.
Ob wir ein paar Minuten früher oder später losziehen, spielt keine Rolle.
Mit einem guten Gefühl aus Freude und Ruhe in die gemeinsame Zeit zu starten – das ist mir wichtig.

Ungeduldiges Fingertrommeln und Drängeln erzeugt Druck – und negative Schwingungen.
Die uns, zumindest eine Zeit lang, begleiten würden.

Was bringt uns dazu, diese Schnell-mal-Sätze ständig zu sagen?

Müssen wir das dem selbstgemachten Druck einer vermeintlichen Erwartungshaltung zuschreiben?
Wir wollen unser Gegenüber nicht enttäuschen – und zeigen eine unterwürfige Bereitschaft, alles zu geben, um dieser Erwartung gerecht zu werden.
Natürlich gibt es Situationen, in denen Eile nötig ist.
Aber genauso viele, in denen sie es nicht ist. Und hier haben wir es selbst in der Hand – oder besser gesagt: im Wortschatz.
Wir dürfen entschleunigen – und milder mit uns selbst sprechen.

Achte mal in den nächsten Tagen darauf, wie oft du die Schnell-mal-Floskel benutzt – ohne echten Grund.

Als ich dann um 14 Uhr im Café saß und auf meine Märchen-erzähl-Freundin wartete, platschten die ersten Tropfen vom Himmel.
Ich musste lachen. Das Wetter blieb unentschieden.
Kurze, undramatische Schauer wechselten sich mit sonnigen Momenten ab.
Gut, dass die Märchen-NeuroGraphik-Veranstaltung in der trockenen Jurte stattfand.

Foto: Dramatische Gewitterwolken

Um 17 Uhr ließ uns der erste Donnerschlag ins Café flüchten – tiefschwarze Wolken hatten sich aufgetürmt.
Dämmerungsende um 17 Uhr statt 21:59 Uhr?
Das Gewitter gewann.

Kaum saßen wir an unserem überdachten Platz, ergoss sich der Regen wie eine Wasserwand auf die Erde – und hielt uns die nächste Stunde fest.

Keine Wetter-App lag richtig. Aber das war egal.
Dieser Tag war ein Geschenk.
Allen Menschen begegnete ich freudig und wohlwollend, mit Humor und tiefen Gesprächen – und genau das kam zurück.

Doppelter Regenbogen

Mit einem „schnell noch …“ wäre sicher eine andere Geschichte entstanden.

Übrigens:
Wenn du Lust hast, noch tiefer in den liebevollen Umgang mit dir selbst einzutauchen, könnten diese Bücher deine Begleiter sein:

  • Das Leben schmecken – ein inspirierendes Arbeitsbuch, das dir hilft, deinen Platz einzunehmen, Mut zur Lücke zu entwickeln und dein Leben genussvoll zu gestalten.

  • Schuhrakel – humorvoll-poetische Karten und Gedanken – perfekt, um alte Muster loszulassen und deine Weiblichkeit neu zu entdecken.

  • Mit Vergnügen – eine berührende Erzählung darüber, wie Frau sich selbst wieder neu findet, in Hingabe und Sisterhood.

Wenn du auf der Suche nach mehr Leichtigkeit, Selbstwert und Wohlwollen bist, schau gern mal vorbei – beim Frauenschuh Verlag. Vielleicht begleitet dich eines dieser Bücher auf deinem Weg zu einem stärkeren, zärtlicheren Miteinander mit dir selbst.

Über die Autorin

Künstlerin, Grafikerin und Autorin aus München. Angespornt von der Motivation, die Welt ein wenig schöner zu gestalten und lebenswerter zu machen.

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