Zwischen Reiselust und Orientierungslosigkeit

Sabine M. Paul // Oktober 18 // 0 Comments

Vor zwei Jahren startete ich meine persönliche Challenge: jeden Monat in eine andere Stadt reisen. Diese Challenge habe ich seitdem super gemeistert, denn ich liebe es, neue Orte zu entdecken und dabei Menschen zu treffen. Doch diesen September hatte ich es ein wenig übertrieben. Mailand, Düsseldorf und dann noch neun Tage im Schwarzwald.

Natürlich habe ich es sehr genossen - schließlich gab es überall wunderbare Menschen persönlich kennenlernen. (Hihi, jetzt habe ich die Haarpflege-Werbung im Kopf: Berlin, Windstärke 5, das Haar sitzt – London, umsteigen bei Regen – die Frisur hält … Etwa so kam ich mir bei meiner Reiselust vor, nur dass meine Frisur macht, was sie will. Soll sie doch.)

Wenn Termine keine Wahl lassen

Die Frage, ob ich teilnehmen möchte oder nicht, stellte sich gar nicht. Vielmehr bestand die große Herausforderung darin, meine Aufgaben sinnvoll zu koordinieren. Vielleicht kannst du dir vorstellen, wie viel Vergnügen aber auch Stress in meinen Sperenzchen steckten. In Mailand traf ich bei einem verlängerten Wochenende vier der zehn Autorinnen des Buches „Erfolgsfrauen ticken anders“. Es war eine köstliche Zeit mit tiefgehenden Gesprächen, Sightseeing und Kultur - und einem pompösen Abschluss mit einem gemeinsamen Fotoshooting.

5 Erfolgsfrauen

www.simonabertogliatti.it

Mitte September reiste ich nach Düsseldorf. Zunächst besuchte für zwei Tage mein Kind, bevor ich an einem Businesstreffen teilnahm. Dort traf ich rund 30 Frauen, die ich bisher nur aus Online-Treffen kannte. Kaum 5 Tage daheim, ging es weiter in den Schwarzwald zu den Präsenztagen der NeuroGraphik Trainerausbildung.

Solche Gelegenheiten lasse ich mir nicht entgehen. Auch wenn ich anschließend Zeit brauche, um wieder in den Tritt zu kommen - In fremden Betten schlafe ich nicht besonders gut.

An meine Grenzen kommen – eine wertvolle Erfahrung

Besonders die Tage in Düsseldorf brachten mich an meine Grenzen. Ich kann immer noch nicht genau sagen, ob es am Hotel lag oder an den zwei vergnüglichen, kulturell gespickten Tagen, die ich mit meinem Kind verbrachte. Wahrscheinlich war es die Kombination.

Am Nachmittag angekommen, streifte ich mit meinem Kind diskutierend durch die Stadt. Nach dem Abendessen hörten wir uns Nummer 1 Hits der letzten Jahrzehnte an. Dabei fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt. Wir lachten viel und konnten kaum genug bekommen. Plötzlich war es zwei Uhr morgens. Am nächsten Tag besuchten wir eine Ausstellung von Gerhard Richter, die mit heißen Diskussionen über andere Künstler und der Frage endete: Soll die Kunst vom Künstler separiert betrachtet werden? (Hier gibt es eine Sendung darüber, die uns inspirierte) Wir kamen zu keinem Schluss – all die Impulse und Eindrücke, gepaart mit Kindheitserinnerungen, brachten mich zum Nachdenken und verwirrten mich zugleich.

Verloren im Labyrinth

Nach zwei kurzen Nächten fuhr ich mit dem Bus zum Hotel. Öffentlich anzureisen war wohl nicht vorgesehen, denn der Weg endete an der Bushaltestelle. So schleifte ich meinen Koffer einige Meter über Wiese und Schotter, bis ich endlich die Hoteleinfahrt erreichte.

Bushaltestelle im Irgendwo

Dieses Hotel wurde als magischer Ort beschrieben, mit inspirierenden Nischen und Plätzen. Es war so magisch, dass ich nachts nicht schlafen konnte. Wohl auch angeregt durch die Erlebnisse der letzten Tage, lief nachts der Film meiner Kindheit und Jugend ab, statt ins Schlummerland der Träume zu sinken.

Ich möchte das Hotel keinesfalls schlecht machen - es ist ein schöner, gepflegter Ort und die Bewirtung ließ keinerlei Wünsche offen. Mir war das Gebäude schlicht zu verwinkelt. Auf der Suche nach dem Schwimmbad fand ich zuerst nur die Therme. Auch gut, dachte ich mir, dann soll es so sein. Doch dort war mir das Schwimmen nicht möglich. Zu viele – sprich drei – Menschen wateten in Zeitlupentempo kreuz und quer durch das Becken und störten meine Bahnen. Schwupps zog ich den Bademantel an, um das Freibad zu suchen.

Keine Orientierung – meine schlimmsten Albträume?

Sabine im Labyrinth

Fast hätte ich aufgegeben. Die Gänge im Keller – oder war es doch das Erdgeschoß? – wirkten auf mich wie ein Labyrinth. Keine Fenster, kaum Türen und Abzweigungen, die in Sackgassen, sprich verschlossene Türen führte. Es war unmöglich zu erkennen, wohin die Gänge führten, da sie alle eine leichte Kurve machten. Zudem waren sie niedrig, schmal und zur Decke hin wie ein Torbogen abgerundet.

Markante Orientierungspunkte fehlten völlig. Und die Beschilderung, anfangs in großen Lettern mit „Freibad“ deklariert, war plötzlich nicht mehr zu sehen. An welcher Abzweigung bin ich falsch gegangen? Es dauerte eine Weile, bis ich den richtigen Hinweis fand: In Hüfthöhe war ein Zettel angebracht, auf dem in kleiner Schrift „Außenschwimmbecken“ vermerkt war. Immerhin, ich hatte es gefunden.

Endlich zog ich meine Bahnen und freute mich über die Erfrischung und Bewegung. Doch ich schwamm im Kreis – das Becken war rund. In diesem Hotel gibt es kaum gerade Linien. Eine echte Herausforderung für mich. Normalerweise bin ich das Familien-Navi, doch hier fühlte ich mich verloren. Den Weg zurück zum Zimmer habe ich gemeistert – allerdings mit einem unfreiwilligen Abstecher in die Lobby im Bademantel.

Orientierungsschwierigkeiten als Gesprächsthema

Am nächsten Tag irrte ich erneut zum Außenschwimmbecken. Da stellte ich die Theorie auf: Die komplette Etage ist ein einziges Labyrinth, dessen Gänge sich stündlich neu anordnen. Eine echte Challenge. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, die Gänge werden immer enger, bis nur noch Zwerge durchpassen.

Doch immerhin lieferte das Labyrinth guten Gesprächsstoff - neben dem freudigen Kennenlernen, dem köstlichen Essen und den Business-Themen, an denen wir arbeiteten. Ich war nicht die Einzige mit Orientierungsschwierigkeiten.

Zurück in gewohnter Umgebung

Die erste Nacht daheim schlief ich wunderbare neun Stunden und war voller Tatendrang. Ich folgte meiner gewohnten Morgenroutine und plante meine Woche. Bis zur nächsten Reise blieben gerade mal fünf Tage Zeit. Nach drei produktiven Stunden gönnte ich mir ein kleines Mittagessen – doch plötzlich überkam mich eine bleierne Müdigkeit. Mit dem Gedanken, ein 20-minütiges Powernapping würde mich wieder fit machen, sank ich auf die Couch – und wachte vier Stunden später wieder auf. Holdrio, ich war alles andere als fit.

Glücklicherweise kann ich mir diesen Luxus erlauben und auch mal einen Tag verschlafen. Ausgeruht erledigte ich die wichtigsten Aufgaben konzentrierter in kürzerer Zeit und fuhr guten Gewissens Samstagfrüh mit meinem Mann in den Schwarzwald. Wir genossen drei entspannte Tage gemeinsam, bis er Dienstagmorgen nach Hause fuhr. Dann begannen die Präsenztage der NeuroGraphik Trainerausbildung, bei denen ich fürs Fotografieren, die Videotechnik und ein wenig Organisation zuständig war. Für meinen Mann wäre kaum Zeit geblieben, zumal ich einige Freundinnen wiedertraf und neue Menschen kennenlernen durfte.

Der Reiz des Minimalismus inmitten des Chaos

 Damit endet diese Geschichte nicht. Wieder daheim hatte ich das Bedürfnis, meine Schränke radikal auszumisten. Dabei scannte ich die Wohnung nach unschönen Dingen und bestellte mir einen neuen Schrank – morgen wird er endlich geliefert. Die überwältigenden Eindrücke und die labyrinthartigen Hotelgänge weckten in mir den Wunsch nach Einfachheit und Klarheit. Im Außen wie auch im innen. Meine Orientierungslosigkeit im Hotel nahm ich als Symbol für meine innerliche Überladung. Es war eine Einladung, innezuhalten und mich meinem eigenen Labyrinth zu stellen.

So habe ich mir diese Woche Zeit genommen, um über die eindrucksvollen Erlebnisse zu reflektieren: Bei zukünftigen Reisen werde ich freie Zeit anhängen, um ein gesundes Wechselspiel zwischen vielen Begegnungen und Ideen und ausreichend Zeit zur Verarbeitung zu schaffen.

Was ist mit dir?

Hast du schon einmal ähnliche Situationen erlebt, in denen du dich orientierungslos oder überfordert gefühlt hast? Konntest du daraus Erkenntnisse gewinnen? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen und Gedanken teilst! War der Text für dich hilfreich, oder hat er dir neue Perspektiven eröffnet? Lass es mich wissen!


Über die Autorin

Künstlerin, Grafikerin und Autorin aus München. Angespornt von der Motivation, die Welt ein wenig schöner zu gestalten und lebenswerter zu machen.

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